Samstag
Wie es sich für einen letzten Festivaltag gehört, verpennen wir die ersten Bands und schaffen es erst zu den fernen Klängen von APRIL ART unsere Kadaver aus der Horizontalen zu bewegen. In dem Moment bin ich froh, dass Fronterin Lisa Marie Watz nicht direkt neben uns steht. Herrgottnocheins hat die Frau eine Power. Eine Power für die das ausgewachsene Kätzchen in meinem Kopf noch etwas Vorbereitung in Form von massig Kaffee braucht. Währenddessen grooven sich die Hessen ordentlich ein und die Lebensgeister kehren in unser Camp zurück.
Während des Frühstücks schallen dann noch AD INFINITUM zu uns rüber, bis wir uns dann kurz vor Ende des Gigs der Deutsch-Schweizer auf den Weg zur Bühne machen. Es ist Zeit für:
EKTOMORF. Zoltán Farkas strahlt über beide Ohren, als er mit seiner Kapelle die Stage erklimmt. Nachdem bei den Ungarn das Besetzungs-Karussel nach amtlicher Rotation zum Stehen gekommen ist und im Grunde nur noch der Fronter aus der Originalbesetzung übriggeblieben ist, gabs nicht nur ein neues Album in 2021 sondern auch eine hochmotivierte Gruppe im Festivalsommer 2022. Und die lieferten auch zu früher Stunde auf dem ROCKHARZ Open Air mehr als ordentlich ab! Die Pits circelten und der Staub staubte. Zurück blieben glückliche Gesichter und eine für den letzten Tag nun wieder erstaunlich fitte Crowd.
Nichts für Leberschwache ist der nächste Act. Und im Ductus der Band wohl für die meisten auch zu früh. Egal jetzt: Bier raus und ab dafür. TANKARD bitten zum Schluck. Der prüfende Griff ans Ohr „Verdammt, haste die Stöpsel schon wieder zu tief reingenagelt“ verriet: Wirklich kein Sound. Nicht schlimm, kann passieren und der Technik ist es auch irgendwann aufgefallen. Sound an, weiter geht’s!
Gewohnt agil rocken TANKARD durch ihr Set und beenden den Gig ohne weitere Vorkommnisse wie gewohnt. Eine solide Nummer und gute Vorbereitung für UNLEASHED.
Wir schalten zurück nach Schweden. Die Stockholmer Tod-Metaller schrauben sich mit wenig Bewegung und kreisenden Köppen durch ihr Set. Passt ins Bild und ist an dieser Stelle nicht abwertend, sondern durchaus positiv gemeint. Für mich ist der Gig der Skandinavier um Johnny Hedlund genau die richtige Vorbereitung für den restlichen Abend.
Eine gute Wahl im Lineup des letzten Tages des ROCKHARZ Open Air 2022 ist definitiv die nachfolgende Kapelle: INSOMNIUM. Der Melancholische Death-Metal der Finnen passt perfekt zur langsam fortschreitenden Stunde. Der Sound ist im Gegensatz zu den Vorgängern von UNLEASHED wirklich gut und bringt die Mucke der Finnen klar und eindringlich rüber. Alleine die reine Quantität des Publikums zollt einen angemessenen Tribut an die Leistung der 5 Musiker und so wird die Tour zur Bierbude doch ein etwas längerer Tripp.
Für uns geht nach einer kleinen Pause der letzte Tag auf dem ROCKHARZ Open Air mit zwei echten Thrash-Pernen weiter. EXODUS und TESTAMENT stehen auf dem Programm. Hier hat es der Veranstalter gut mit den Fans gemeint, die beide Konzerte dankend abfeiern. Und genau das ist eigentlich das Schönste am ROCKHARZ Open Air: Auf zwei Bühnen gibt es abwechslungsreich auf die Mütze. Wenn BETONTOD nicht ganz unsers waren, so fühlen wir uns jetzt um so wohler. Das Konzept geht auf. Vor den Bühnen und auf dem Festivalgelände herrscht meist viel Bewegung und oft wir man zu Bands motiviert, die man vorher vielleicht noch nicht auf dem Zettel stehen hatte.
Gary Holt und seine US-Kapelle machen jedenfalls ihrem Ruf alle Ehre und regieren agil die Stage. Die Fans sind begeistert und der Staub staubt. Trotz des Windes ist der Sound wirklich OK und die großen Songs der Band tun ihr übriges zur ausgelassenen Atmosphäre. Gut gemacht! … Hab ich da gerade Raining Blood gehört?
Weiter geht’s mit TESTAMENT. Trotz Sturm-Sound und PA-Streik stellen die US-Thrasher eindrucksvoll ihr Können unter Beweis. Für das Publikum war der „Thrash-Marathon“ einfach. „Just a step to the left“ und schon kann es nach EXODUS direkt weitergehen. Das Set bietet einen guten Best of Querschnitt bis hin zu letzten EP der Thrasher. Der nicht austrocknenden PIT beweist, dass es allen gefallen hat.
Stilbruch: Weiter geht’s mit STUMPEN und der meisten Band der Welt: KNORKATOR. Und die machen, was KNORKATOR ebenso machen. Die Hütte abreißen. Da Widerstand ja eh zwecklos ist, ergeben sich die Fans der geballten STUMPEN-DNA. Heute steht nämlich für einige Duette noch seine Tochter Agnetha auf der Bühne und die macht einen verdammt guten Job. Wir fassen zusammen: „Wir werden alle sterben“ aber vorher bitte noch „Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett“.
Auf der Nebenstage nimmt Alex von EISBRECHER den KNORKATORischen Ball gerne auf und erweist Stumpn und Co. die Ehre. Es wir halt schwer, nach der meisten Band der Welt zu spielen. Aber, kriegense hin.
EISBRECHER sind nicht das erste Mal auf dem ROCKHARZ und irgendwie fühlt es sich vor der Bühne ein wenig nach Heimspiel an. Auch das Alex und Co. sich als NDH Band in der Metalszene zu einer respektierten Größe hochgespielt haben sollte hier lobend erwähnt werden. Die stampfenden Klänge der Kapelle aus Fürstenfeldbruck hämmern durch die Crowd und spätestens nach „This is Deutsch“ bewegt sich auch der letzte Arsch. Gemeint ist natürlich das Körperteil! Am Ende gibt’s von Alex und Co. noch eine Ladung Eisbären. F*ck, schon wieder keinen abbekommen. Trotz allem ein gelungener Gig und eine gelungene Brücke zwischen KNORKATOR und dem Headliner des heutigen letzten Abends auf dem ROCKHARZ Open Air 2022: ACCEPT.
Ach nee, warte, Stopp. Die eigentlichen Headliner kommen vor ACCEPT! In alter Tradition tritt nun ein Teil der Festival-Crew um Veranstalter Thorsten Kohlrausch auf die Bühne. In einer kurzen, aber bewegenden Rede bedankt sich das Team bei allen Fans und ist sichtlich erleichtert, die Corona-Jahre überstanden zu haben. Für uns hat es sich angefühlt, wie sich das ROCKHARZ Open Air immer anfühlt: Made of Metal, Beer and your best friends! Vielen Dank für ein großartiges Festival und eine wiederkehrende Normalität.
Zurück zu ACCEPT, die Kapelle aus der Nachbarstadt unserer Redaktion, nämlich aus Solingen macht das, wofür sie bekannt sind. Heavy-Metal abliefern. Und das machen die Jungs um Fronter Mark Tornillo und den musikalischen Kopf der Gruppe, Wolf Hoffmann derart professionell, dass es schon wieder Spaß macht. Songs, Choreographie und Sound sitzen und nach dem Start geht auch die Crowd angemessen mit. Nach 90 Minuten hängen die Jungs noch die rebellischen Eier an die Wand und machen für 2022 die Rockstage zu. Der Weg von Solingen in die Schweiz dauert nur weniger Meter, denn ELUVEITIE stehen schon in den Startlöchern.
Für die Melodic-Tod-Folker ist der Gig nicht nur der letzte auf dem ROCKHARZ Open Air 2022, sondern auch der Abschied von Drehleierin Michalina Malisz, der während dieses Gigs der Klassiker „Inis Mona“ gewidmet wird. Der Sound dieses letzten Konzertes braucht ein paar Minuten, sitzt dann aber gut. Was dann kommt ist ein Gig voller Pyros und Emotionen die insbesondere von Fabiennes Solokünsten beflügelt werden. Ein würdiger musikalischer Abschluss für das ROCKHARZ Open Air 2022. Mein Herz jammert, dass es schon vorbei ist, meine Leber atmet auf! In diesem Sinne: zurück zum Camp, ein letztes Bier mit den Freunden und dann: Zähneputzen, Pullern, … ach, Ihr kennt den Rest!
