Freitag, 07. Juni 2019
Schon das zweite Mal darf ich für metal.tm über das ROCK HARD FESTIVAL am schönen Amphitheater am Nordsternpark in Gelsenkirchen berichten. Schon 2018 hat es mir das kleine aber sehr feine Festival ziemlich angetan und so war die Freude auf 2019 um so größer. Wie auch im letzten Jahr ging es zuerst zum Parkhaus am Nordsternpark. Für nen 10er pro Tag ein gutes Angebot, wenn man etwas geschützt im Auto pennen will. Das geht nämlich auf dem Zeltplatz leider nicht und die Tickets für den Parkplatz am Festivalgelände sind erfahrungsgemäß genauso begehrt wie Rammstein-Tickets und mindestens genauso schnell vergriffen. Die Strecke zum Festivalgelände ist mit einer halben Bierlänge ebenfalls nicht zu weit.
Wobei, Moment mal. Die halbe Bierlänge gilt unter normalen Witterungsbedingungen und NICHT bei orkanartigem Sturm. Den gab es nämlich Freitag und Samstag und zwar amtlich. Mein norddeutscher Spannmann fühlte sich gleich wie zu Hause und ab und an musste man sich versichern, nicht doch auf einem Hurricane gelandet zu sein. Ein großes Lob an die Veranstalter. Trotz Sturm passte alles und es gab für den Festivalbetrieb soweit keine Einschränkungen. Okay, der Zeltplatz glich am Samstagmorgen einem Schlachtfeld und Pavillons ohne Stoff scheinen eine neue Modeerscheinung des 2019er Rock Hards zu sein, aber die Laune ließ sich keiner verderben. Prost!
Den musikalischen Anfang machten am Freitag für mich die Kölner Death-Metaller von CHAPEL OF DISEASE die mit einer soliden und melodischen Show die Crowd im Field und den Rängen zu angemessener Bewegung trieb. Für 16:00 Uhr genau das richtige und Zeit bei einem Bierchen erst mal anzukommen.
Erstmal ankommen ist ein gutes Stichwort, um die Atmo auf dem Hard zu beschreiben. Das Festival ist klein und fühlt sich streckenweise wie die Geburtstagsparty eines Kollegen an, auf der man sich treiben lässt und viele gute Freunde wiedersieht. Okay. Die Musik ist definitiv vielseitiger als auf den meisten Partys 😉
Um 17:00 Uhr war es dann Zeit für THE IDIOTS, die das Rock Hard nutzten, um ihr 7. Album „Schweineköter” vorzustellen. Ob es an der Uhrzeit gelegen hat, weiß ich nicht. Aber für eine der ältesten deutschen Punkbands war die Crowd eher mäßig bewegungsfreudig, bzw. man hatte das Gefühl, dass die Jungs um Frontmann Sir Hannes Schmidt, obwohl sie ordentlich abgeliefert haben, nicht richtig zum Publikum durchdringen konnten. Zum Ende des Sets platze dieser Knoten dann aber doch und Hannes surfte zu „I donÂ’t wanna be your Dog” noch einige Runden über die Crowd.
Die TYGERS OF PAN TANG durften ihr Set nicht nur im Sturm, sondern auch noch im Platzregen starten. Davon ließen sich die britischen Hartmetaller allerdings nicht abhalten – liegt wohl am Wetter auf der Insel – und lieferten ein ordentliches Brett ab. Der Name der Band stammt übrigens aus dem Roman STORMbringer … passt ja wieder 😉
Durch besagten Sturm war der Schauer genauso schnell weg, wie er kam und mit dem Aufreißen des Himmels hob sich auch die Stimmung der Menge rapide, die das Set frisch bebiert, wippend und mitsingenden quittierte. Coole Nummer!
Mit „My midnight thing” ging es um kurz vor acht für die Horrormetaller von LIZZY BORDEN los. Und spätestens beim dritten Song „Tomorrow Never Comes” hatte die Truppe aus L.A. das Publikum fest im Griff und wurde von vielen als der eigentliche Headliner des Abends gefeiert. Show, Bühnenoutfit und Energie passten. Das leckere Bierchen in der Hand tat den Rest und nach über einer Stunde beendeten die Jungs das Spektakel mit „Red Rum”. Dankeschön und bis zum nächsten Mal!
„Sag mal, findest Du auch, die riechen wie n alter Keller?” war wohl das Zitat des Abends von einer sehr geschätzten Kollegin, die an dieser Stelle nicht genannt werden will, als wir uns auf den Weg aus dem Fotograben gemacht haben. Und irgendwie hatte sie Recht. Wir haben‘s einfach mal auf die Öllaternen geschoben, die ein Teil des wirklich gelungenen Bühnenbilds der gruselig feinen Show der Schwedischen Black Metaller von WATAIN waren, die um halb 10 die Bühne und das Amphitheater kaperten. Musikalisch überhaupt nicht mein Ding, packte mich aber die Show. Mit reichlich Blut und liebevoll gestalteten Kostümen. Offensichtlich konnten die meisten anderen Besucher mehr mit der Kombo um Frontmann Erik Danielsson anfangen. Einige durften das Spektakel am Ende sogar blutverschmiert verlassen und so endete dieser erste stürmische Tag des 2019er Rock Hard pünktlich um 23:00 Uhr mit einem letzten Absacker. Tja und dann? Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett!
An dieser Stelle gebe ich nicht zurück ins Funkhaus, sondern zu unserer wunderbaren Redakteurin Bea, die ab Samstagmorgen für metal.tm auf dem Rock Hard 2019 unterwegs ist. Ab jetzt wechselt also nicht nur der Tempus, sondern auch der Autor. Gute Nacht!
Samstag, 08. Juni 2019
Um die Mittagszeit erreiche ich endlich das Parkhaus am Nordsternpark. Wir schlafen dort im Auto, 10 Minuten Fußweg abseits des Getümmels. Der beiläufige Blick auf den Wetterbericht lässt mich kurz aufschrecken. Während am Freitag noch „Sonnenbrand” und „Unterhopfung” die größten Sorgen der Metaller waren, ist heute stürmisches Wetter mit gelegentlich heftigen Regenschauern angekündigt. Egal, wie es sich gehört, gehtÂ’s mit einem regionalen Fußpils und wetterfester Kleidung los Richtung Amphitheater. Der unterschwellige Geruch der Emscher auf dem Weg wird mit Vorfreude auf den Tag und lustigen Festival-Anekdoten gekonnt ignoriert.
Los geht’s heute mit THE VINTAGE CARAVAN. Die jungen Isländer überzeugen sofort durch ihre Dynamik und energiegeladene Bühnenshow. Die Stimme von Sänger und Gitarisst Óskar Logi Ágústsson geht ohne Umwege direkt unter die Haut und erinnert stark an Caleb Followill von den Kings of Leon. Trotz eher windigen Wetterverhältnissen sorgen THE VINTAGE CARAVAN für ein amtliches Gedränge vor der Bühne und heizen der Meute ordentlich ein. Drummer Stefán Ari ist nach dem 2. Song auf Hochtouren und zaubert den Isländern ein charmantes Fundament für den Rest des Gigs.
Ebenfalls beachtlich: HEIR APPARENT. Die Prog-Metal Veteranen liefern ordentlich ab und überzeugen mit hartem Sound und melodischen Klängen. Eher langweilig präsentieren sich dagegen CARNIVORE A.D.. Dynamik: Fehlanzeige. Der aufkommende Regenschauer kommt dabei wie gerufen und wird mit ein paar Begrüßungs- Bierchen und netten Gesprächen überbrückt.
Anschließend steht SYMPHONY X auf dem Programm. Die US-Progressive-Metal Band dominiert mit harten Bässen und langanhaltenden Gitarrensolos. Die Meute lässt die Mähne kreisen und feiert die Amis bei durchbrechendem Sonnenschein und Regenbogen-Kulisse mit reckenden Fäusten.
Aber es wird noch besser. Es folgt der für mich eigentliche Headliner des Abends: SKID ROW. Die US-Hardrocker mit Gesangs-Neuzugang ZP Theart stehen am frühen Abend auf dem Programm und präsentieren sich in Bestform. Vor der Bühne ist es knacke voll und auch auf den Rängen des Theaters kann man nur mit ganz viel Mühe ein freies Plätzchen erahnen. Die Bierbecher fliegen durch die Menge, die Songtexte werden mitgegrölt und selbst einige Death Metal-Fans kommen nicht drum rum das Tanzbein zu schwingen – Wahnsinn, was für eine Stimmung!
Die Zeit ist knapp und wird für eine kurze aber sehr nötige Hopfenpause genutzt. Bereits beim Anstellen am Bierwagen, der nach dem Gig von SKID ROW reichlich besucht ist, merkt man die Aufregung der Besucher. Aggressiver und energiegeladener Death Metal folgt als nächstes.
CANNIBAL CORPSE betreten um kurz vor 8 auf die Bühne und geben sich damit im Amphitheater zum zweiten Mal die Ehre. Die Jungs aus Florida machen den Gelsenkirchenern direkt ab dem 1. Song so richtig Feuer unterm Hintern und sorgen für ordentlich Grunz- und Röchelalarm. Wehende Mähnen soweit das Auge reicht. Auch die Fotografen können begeistert sein, die ersten CrowdsurferInnen vor die Linse zu bekommen. Die Show ist, wie nicht anders erwartet, vom feinsten und auch die Stimmung könnte nicht besser sein. CANNIBAL CORPSE überzeugen in gewohnter Manier.
Fun fact: Die Stadt Gelsenkirchen hat der Band per Ordnungsverfügung untersagt einige Songs zum Vortrag zu bringen. Als Trost gab es dafür eben „Hammer smashed face” instrumental auf die Ohren.
Der offizielle Headliner des Tages ist GAMMA RAY. Bei eintretender Dunkelheit und guten Lichtverhältnissen liefern Bandleader Kai Hansen mit seiner um Sänger Frank Beck ergänzten Band eine souveräne Show mit musikalischen Highlights. Die Deutschen zeigen sich spielfreudig, gut gelaunt und lassen sich von der Meute ordentlich abfeiern. Etwas weniger Weichspüler hätte es für mich noch besser gemacht. Insgesamt aber ein guter Abschluss des Tages.
Sonntag, 09. Juni 2019
Nach einem ausgiebigen und sehr zu empfehlenden Frühstückbuffet im HeinerÂ’s Parkhotel, das sich direkt neben dem Parkhaus Nordsternpark befindet, starten wir gestärkt in den Sonntag. Für nur 16 € pro Person bekommen wir frisch gepressten O-Saft, reichlich Kaffee und viele andere Leckereien geboten. Ein echter Geheimtipp und unser Glück das kleine Schild mit dem Buffethinweis am Eingang entdeckt zu haben.
Wettertechnisch ist für heute Sonne satt angesagt. Geil, endlich! Gut eingecremt und luftig gekleidet sehen wir uns THE SPIRIT an, die den heutigen Tag eröffnen. Kreative Rhythmen und klirrende Melodien sorgen für eine temporeiche Darbietung, die den bandeigenen Spirit fühlbar macht.
Für OBSESSED, die aus persönlichen Gründen abgesagt haben, rocken ZODIAC die Bühne. Die Münsteraner bieten dem Publikum schon zu früher Stunde eine sehr solide Heavy-Rock Show und beweisen, dass sie auch nach zwei Jahren Pause ordentlich abliefern können. Besonderer Höhepunkt zum Abschluss: Basser Hendrik Müller-Späth bedient neben dem Bass auch noch die Tasten.
Explosiv und dermaßen heiß her geht es bei VISIGOTH. Die US-Band aus Salt Lake City ist ein absolutes Stimmungshighlight und präsentiert sich mit harten Gitarrenriffs und melodisch-rockigen Songs aus ihrem Album „The ConquerorÂ’s Oath”. Das Amphitheater ist gut gefüllt und beteiligt sich vor allem sehr lautstark bei „Steel And Silver” und „A TraitorÂ’s Gate” zum Abschluss des Sets. Wenn auch ein wenig heiser, gibt Sänger Jake Rogers durchgehend Vollgas und beweist mit seiner Band, dass man von VISIGOTH noch einiges zu erwarten hat. Ein starker Auftritt!
Instrumental wird es bei LONG DISTANCE CALLING. Die Jungs aus Münster sind dieses Jahr die Exoten im Line-up und versüßen den Festivalbesuchern den Nachmittag mit verträumten Stücken und viel Ausdruck. Besonders toll: Schlagzeuger Janosch Rathmer ist heute in doppelter Mission unterwegs. Nur wenige Stunden vorher verkloppte er die Drums seiner Zweitband ZODIAC. Die volle Dröhnung 80er Metal liefert FIFTH ANGEL. Alteingesessene Fans dürfen sich an einem durchaus vorzeigbaren Gig erfreuen. Wer allerdings auf neuere Darbietungen gehofft hat, wird enttäuscht. Lediglich zwei Songs des aktuellen Albums „The Third Secret” schaffen es auf die Setlist. Eher unnötig sind auch die langatmigen Solospots, die einem durch den kurzfristig ausgefallenem Basssound noch länger erscheinen.
Die Hardrocker MAGNUM legen einen sehr souveränen Auftritt hin. Besonders hervorzuheben ist der mittlerweile 72-Jährige Sänger Bob Catley, der mit seiner Darbietung so manch anderen Rockern die lange Nase zeigt. Gespielt wird eine Mischung aus über vier Jahrzehnten, die das Amphitheater mit dem Set immer voller werden lässt.
Nach einem kurzen Futter-Break am Falafelstand, an dem wir eine vorzügliche Falafeltasche mit exotischen Soßen für nur 5 € essen, geht’s pünktlich weiter mit POSSESSED. Die Ur-Death-Metal Band sammelt für mich an diesem Tag die meisten Sympathiepunkte und glänzt mit einer durch und durch stimmgewaltigen und kraftvollen Parade. Sänger Jeff Becera sitzt aufgrund einer Querschnittslähmung im Rollstuhl, röhrt aber dennoch aus tiefster Seele extrem harte Klänge ins Mikrofon und kann sich dabei ein heftiges Grinsen nicht verkneifen. Der erste Moshpit lässt nicht lange auf sich warten, dem sich zahlreiche CrowdsurferInnen anschließen. Songs wie „Revelations Of Oblivion” oder „The Eyes Of Horror” werden dabei ordentlich mitgegrölt und bringen die Metalheads in Wallung. Eine Darbietung vom allerfeinsten.
Was nun folgt ist ein mehr als würdiger Abschluss des Festivals. Die Trash-Giganten ANTHRAX fackeln nicht lange und kommen mit „Caught In A Mosh” und „Got The Time” direkt zur Sache. Das feierwütige Volk ist kaum zu bremsen und eine Welle aus CrowdsurferInnen rollt los.
ANTHRAX geben der Meute 90 Minuten lang die volle Packung Greatest-Hits, wie „Madhouse” oder „Antisocial”, auf die Ohren. Gitarrist Scott Ian animiert bei „Indians” zum „War Dance” und bringt damit den Kessel gehörig zum brennen. Obwohl Sänger Joe Belladonna zwischenzeitlich mit den Tönen daneben lag, veranstalten ANTHRAX eine sehr solide Show die sich sehen lassen kann. Großartig!
Ihr wisst, was jetzt kommt. Richtig: Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett! Gute Nacht und bis zum nächsten Jahr!
Fazit: Das charmante Festival im Pott überzeugt durch eine eindrucksvolle Kulisse, röhrenden Sound und einer gut durchdachten Zusammenstellung des Line-up. Die Getränkepreise mit 5 € pro 0,5 l Bier, 7,50 € für einen Cocktail oder 7 € für einen Döner sind, wie die diesjährigen Ticketpreise mit 125 € inkl. Camping absolut fair. Auch cool: Die begleitende Kunstausstellung und die Vielzahl an Angeboten rund um den Metal Lifestyle!
Wir kommen wieder 😉
(Autoren: Bea H. / Jens H.)
Unser Vorbericht